Diskussionsbeiträge
der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 53, 2004
Süddeutsche Zeitung,
02.12.2000
Kostunicas
erste Prüfung
Der
neue erste Mann in Belgrad rennt nicht nur offenen Türen ein in einer Welt,
die über den Sturz Milosevics erleichtert ist. Vojislav
Kostunica hat sich auch schon durch Phantasie und Umsicht bei der ersten Prüfung
bewährt, mit der bewaffnete Albaner am innerserbischen Ostrand des Kosovo
die Tauglichkeit Serbiens für die Staatengemeinschaft testen wollten. Mit
einem Überfall auf serbische Polizisten in dem ethnisch gemischten Gebiet
hatte der lokale Ableger der im Kosovo offiziell aufgelösten Befreiungsarmee
UCK die neuen Belgrader Behörden provozieren wollen. Es kam aber anders.
In Zusammenarbeit mit dem erstaunlich konstruktiven Belgrad will die Nato nun
durch dichte Grenzpatrouillen die albanischen Extremisten in der Pufferzone
aushungern, dort also, wo die jugoslawische Armee keinen Zugriff hat.
Die
Krise erreichte Belgrad mitten im Machtwechsel und traf auf eine Demokratische
Opposition Serbiens, die beschäftigt ist mit internen Machtverteilungskämpfen.
Kostunica verfügt dabei über mehr Autorität, als die Verfassung
mit ihren schwachen Vollmachten dem jugoslawischen Bundespräsidenten zuerkennt.
Der andere Pol der neuen Regierenden, der unpopuläre Wende-Organisator
und künftige serbische Regierungschef Zoran Djindjic, tat sich gleich zu
Beginn der Krise mit ultimativen Tönen an die Adresse der Nato-Kosovo-Truppe
KFOR und an die Albaner hervor. Präsident Kostunica dagegen warnte später,
nicht in die Falle der selbst ernannten albanischen Befreiungskämpfer zu
tappen. Dabei entfaltete er diplomatisches Geschick. Den Serben machte er klar:
Anders als früher hätten sie nun die Welt auf ihrer Seite. (kü.)
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