Diskussionsbeiträge der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 54, 2004

3. Perspektiven
3.6 Raum und Zeit
3.6.3

Generationenwechsel als langfristige Perspektive

    Beispiel 3.6.3.1: Zentrales Merkmal des Artikels ist das Auftreten der "älteren Damen" im ersten und letzten Absatz, die nur ein theoretisches Interesse an Frankreich mitbringen, während die Jugend im direkten Austausch miteinander "den besseren Weg" in Richtung Versöhnung und Verständigung eingeschlagen hat. [Anm. S.J.]

Südkurier, 5.11.1949, S. 3

Das Gespräch ist im Gang
Deutsche und französische Jugend singt und wandert

 

Das konnten sie alle, Deutsche wie Franzosen: Kuckuck singen; bei der ersten Strophe einmal, bei der zweiten zweimal und so weiter, bis zur sechsten Strophe von "Und jetzt gang i an Peters Brunnele." Vier ältere Damen, die zufällig einen französischen Kurs der Volksschule besuchen wollten, der noch garnicht begonnen hatte, und die unbedingt in demselben Raum bleiben wollten, verließen nach dem vierten "Kuckuck" schleunigst das "Freiburger Institut für Internationale Begegnungen".

Hier saß also diesen Mittwochabend ein kleines Grüppchen der "alten Garde" beisammen und versuchte mit mehr oder weniger guter Stimme deutsche und französische Volkslieder zu singen: "Lustig ist´s Zigeunerleben" ging dabei besonders gut, weil es auch einen französischen Text hat: "Chante et Danse la Bohème". "Passant par Paris" war schwieriger, weil es so eine eigenartige Reihenfolge hat wie: zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Letzten Mittwoch waren sie zum erstenmal zusammengekommen und hatten Erfahrungen über die Fahrten durch Frankreich und Deutschland ausgetauscht. Die einen meinten, die größte Ueberraschung sei doch - obwohl man schon davon gehört hätte - die Höflichkeit der Franzosen gewesen. Ob in Paris, der Normandie oder an der französischen Schweizergrenze - überall hatte man bereitwillig Auskunft und ein freundliches Lächeln erhalten. Und das war sehr nötig, denn sie waren, wenn auch mit einem ordentlichen Paß, so doch vollkommen auf eigene Faust durch Frankreich gegondelt. Andere sagten, sie hätten gedacht, die Franzosen würden den Deutschen gegenüber mißtrauischer sein. Und die dritten behaupteten - offen und rückhaltlos -, das sei auch der Fall. Die jungen Franzosen am Tisch hörten sich das an; an ihnen jedenfalls, so sagten sie, läge nicht die Schuld daran.
(.......) [Nicht abgedruckt ist der Mittelteil des Artikels, der die Erlebnisse der Reisenden sowie Aufbau und Entwicklung der wechselseitigen Reisemöglichkeiten ins Nachbarland von Behördenseite aus skizziert, Anm. S.J.]

Mittlerweile treffen sich die ehemaligen Teilnehmer solcher Fahrten, soweit sie erreichbar sind, in der Werderstraße in Freiburg, um nach dem Kennenlernen Freunde zu werden. Sie kennen jetzt Land und Leute der anderen ein wenig, haben tausend Angelpunkte zu tausend Gesprächen und vor allen Dingen keine Lust und Veranlassung, sich gegenseitig wehzutun. Die Mittwochabende, die erst zweimal stattgefunden haben, werden jetzt auf Donnerstag verlegt, damit die alten Damen - nichts gegen sie! - doch noch ihr Französisch lernen können. Hier hat man einen besseren Weg dazu gefunden.

Waldemar Schweitzer

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