Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 16.11.1963, S. 3
Fast
alle 900 000 Algerienflüchtlinge eingegliedert
Nur 4500 Arbeitslose / Erfolg der französischen Verwaltung und der
Heimkehrer
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Bericht unseres Pariser
Korrespondenten
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haw.
PARIS, 15. November. Mit Genugtuung haben die Franzosen eine Feststellung
des Ministerrats aufgenommen, daß das Problem der Eingliederung
der Algerienflüchtlinge in die Bevölkerung des Mutterlandes
praktisch gelöst ist. Nur noch 4555 von den fast 900 000 aus Algerien
geflohenen Franzosen konnten noch keinen Arbeitsplatz finden. Das
Flüchtlingsministerium, das unter der Leitung von François
Misoffe die Eingliederung der Heimkehrer mit Energie und Taktgefühl
gemeistert hat, wird sich in Kürze selbst überflüssig gemacht
haben und aufgelöst werden.
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Hinter
den dramatischen OAS-Prozessen, die die blutige Endphase der Entkolonialisierung
in Algerien in ihren traurigsten Aspekten abschließen, hatte die Welt
zu leicht vergessen, daß die überwältigende Mehrheit der
Algerien-Franzosen, deren Verfahren [muss wahrscheinlich "Vorfahren"
heißen, Anmerkung S.J] das französische Algerien mit Wagemut
und Tatkraft erschlossen hatten, aus arbeitsamen und tüchtigen Menschen
bestand, die an ihrer nordafrikanischen Wahlheimat mit der gleichen Liebe
hingen wie die Franzosen des Mutterlandes an ihrer Erde. Daß die Heimkehrer
sich in der neuen Heimat so schnell zurechtgefunden und häufig sogar
eine günstige Position errungen haben, zeigt, daß sich die Tatkraft
der ersten Pioniere nicht verloren hat. |
Die
Algerien-Franzosen bilden keine verbitterten und isolierten Gruppen im Mutterland.
Sie haben Kontakt zu den alteingesessenen Bürgern gefunden. Das
ist ebenso der geschickten Steuerung der Flüchtlingsverteilung durch
die Regierung zu danken wie dem Realismus und der Opferbereitschaft der
Algerien-Franzosen selbst, die den neuen Anfang unter oft recht ungünstigen
Bedingungen finden mußten. Sie denken mit Trauer an das französische
Algerien zurück, aber sie haben trotzdem in ihrer Mehrheit der Verlockung
zum politischen Radikalismus abgesagt und ihre Kraft der Arbeit für
ihre Familien zugewandt. |
Die
wirtschaftliche Expansion in Frankreich und der Mangel an Arbeitskräften
haben die Eingliederung erleichtert. Nur bei der endgültigen Wohnungsbeschaffung
sind noch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Die Heimkehrer
haben in viele abgeschnittene Gegenden Frankreichs frisches Blut gebracht
und sind damit für das Mutterland statt der ursprünglich befürchteten
Belastung ein Kapital geworden.
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