Frankfurter
Rundschau, 28.7.1956, S. 12
So
reisen Jean und Jeannette
Ein französisches Mosaik
|
|
Voll
der phantastisch anmutenden Kontraste ist das Ferienland Frankreich. Gerade
in diesen Tagen kann es gleichzeitig mit Schneehängen und fruchtreifen
Zitronenbäumen aufwarten. Nicht nur Antike und Moderne vertragen
sich großartig nebeneinander, es harmonieren auch ein Leben in Luxus
und eine sehr einfache Lebensweise - je nach Geschmack und Können.
Ueberhaupt ist die Lust an der Anspruchslosigkeit groß. Niemand
schätzt den anderen gering, weil er ein offenes Hemd einer Krawatte
oder eine freche Dreiviertelhose einem Kleid vorzieht. Gilt in anderen
Ländern die gewiß notwendige Regel: alles zu seiner Zeit, so
gilt hier außerdem: jeder nach seiner Fasson.
|
Fasson?
Hier das Beispiel von Jeanne, einer Frau in den besten Jahren, in ihrer
Mädchenzeit wurde sie Jeannette genannt. Sie lehnt es heute ab, Hosen
zu tragen. Sie zieht luftige, weite Röcke vor und Blusen, die den
Armansatz und ihre schön gerundeten Schultern bedecken. Auch entschloß
sie sich - Sie können sich denken warum - den zweiteiligen durch
einen einteiligen Badeanzug zu ersetzen. Ja, wäre sie noch Jeannette,
jung und rank, gewesen - aber die Jahre wandern, und mit ihnen verschieben
sich die Grenzen, die von der Französin, bei ihrem Sinn für
Pikanterie gerne beachtet werden.
|
*
|
Eine
der Möglichkeiten, in Frankreich zu Preisen zu leben, die für
eine durchschnittliche Urlaubskasse wie geschaffen sind, ist es, ganz
einfach zu leben, wie es auch der französische Familienvater, wie
es der Student oder wie es die jungen Frauen der Groß- und Mittelstädte
tun müssen. Sie meiden Hotels in Bahnhofs- oder Promenadennähe,
übersehen die großen Restaurants an den Hauptstraßen
(in den Nebenstraßen ist meist alles ein wenig billiger) und vermeiden
das Herumreisen in den Hochsommerwochen, wenn es am heißesten und
alle Welt unterwegs ist.
|
Jeanne
und ihr Mann Jean suchen die stille Seite der Cote d´Azur, die Altstadt
von Cannes, die kleinen Fischerdörfer und Bäder. Beginnt
doch gleich abseits der belebten Straßen das Idyll. Die Palmen und
Pinien, die zuweilen unübersehbaren Blumenfelder gibt es auch außerhalb
der namhaften Orte und oftmals gerade da, wo diese Pracht am wenigsten
vermutet wird. Da haben es dann die exotischen Blumen wie die netten Leute,
die auch oft da zu finden sind, wo eine so freundliche Nachbarschaft kaum
erwartet wurde.
|
Ermano
Höpner
|