Süddeutsche
Zeitung, 15.3.2002, S. 11
Einigung unter Vermittlung der EU
Aus
Jugoslawien wird Serbien-Montenegro Abkommen
zwischen den Teilrepubliken soll ein Auseinanderbrechen des Balkanstaates verhindern |
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Von
Bernhard Küppers |
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Belgrad
- Unter Vermittlung der EU haben Belgrad und Montenegro
ein Abkommen unterzeichnet, das Jugoslawien unter anderem Namen und mit
veränderter Verfassung als staatliche Gemeinschaft bewahren soll.
Ein Volksentscheid über die Unabhängigkeit Montenegros wird
damit auf mindestens drei Jahre vertagt. Die Bundesrepublik Jugoslawien
heißt künftig "Serbien-Monetenegro (Srbija i Crna Gora).
Bei internationalen Organisationen wechseln sich beide Teilrepubliken
mit einem gemeinsamen Vertreter ab. Eine Harmonisierung der Wirtschaftssysteme
mit derzeit verschiedenen Währungen und Zöllen soll auf dem
Weg in die Europäische Union folgen.
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Das
Abkommen wurde am Donnerstag in Belgrad von EU-Chefdiplomat Javier Solana
(Foto Mitte), dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica (rechts),
seinem Vize-Ministerpräsidenten Miroljub Labus, dem serbischen Regierungschef
Zoran Djindjic, dem montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic (links)
und seinem Regierungschef Filip Vujanovic unterzeichnet. Vorausgegangen
waren langwierige Verhandlungen. Das Abkommen soll bis Jahresmitte in eine
"Verfassungscharta" umgesetzt werden, der laut Kostunica im Herbst
Wahlen folgen sollen. Der bisher direkt gewählte Präsident werde
künftig vom Parlament bestimmt und einem von ihm benannten Ministerrat
vorsitzen. |
"Es
handelt sich weder um eine lose Föderation noch um eine Konföderation,
sondern um eine neue, originelle Lösung", sagte Kostunica. Djukanovic
betonte, Montenegro sei das Recht unbenommen, "nach einer gewissen Zeit"
die Vereinbarung zu überprüfen. Djindjic sprach die Erwartung aus, dass
die Wirtschaftssysteme Serbiens und Montenegros innerhalb eines Jahres angeglichen
würden. Er bezog sich dabei auf die Zusicherung der EU, dass die Verfassungsordnung
den Weg Serbiens in die EU nicht behindern dürfe. Der Belgrader Machthaber
Slobodan Milosevic hatte den Rumpfstaat aus Serbien und Montenegro 1992 gegründet.
Djukanovic hatte seine kleinere Teilrepublik jedoch seit 1997 von Belgrad abgekoppelt
und nach dem Sturz Milosevics die Unabhängigkeit offen zum Ziel erklärt. |
Serbien-Montenegro
soll ein gemeinsames Parlament erhalten. Dabei soll die kleinere Republik mit
650000 Einwohnern davor geschützt werden, von den acht Millionen Serben überstimmt
zu werden. Für die Armee ist ein oberster Verteidigungsrat vorgesehen, in
dem die drei Präsidenten per Konsens entscheiden. Den Wehrdienst können
die Rekruten in ihrer Republik ableisten. Für den Ministerrat sind die Ressorts
Außenpolitik, Verteidigung, Außen- und Binnenwirtschaft sowie Menschen-
und Minderheitenrechte vorgesehen. |
Auch
nach der Unterzeichnung gab es kritische Stimmen aus den Reihen des in Belgrad
regierenden Parteienbundes DOS. Der serbische Justizminister und Christdemokrat
Vladan Batic sagte, vereinbart sei weniger als eine Konföderation. Das bestätige
nur, dass es höchste Zeit für ein unabhängiges Serbien sei. Der
Parlamentspräsident der Vojvodina, Nenad Canak, sprach von einem faulen Kompromiss,
an dem die Provinz nicht beteiligt worden sei. Die für die Unabhängigkeit
eintretenden montenegrinischen Liberalen empfingen Djukanovic mit Vorwürfen
des Verrats. (Seite 4)
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