Diskussionsbeiträge der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 54, 2004

2. Konfliktkontext und Konfliktparteien
2.2 Darstellung der Akteure und ihrer Handlungen
2.2.12 Aspekte, in denen die ehemaligen Konfliktparteien voneinander lernen können
    Beispiel 2.2.12.1: Hier zeigt der Autor deutschen Reisenden, wie man auch ohne viel Geld Frankreich als Reiseland genießen kann: Man orientiert sich an den dort lebenden Menschen, mit denen man doch mehr Ähnlichkeiten teilt, als man glaubt. [Anm. S.J.]

Frankfurter Rundschau, 28.7.1956, S. 12

So reisen Jean und Jeannette
Ein französisches Mosaik

 

Voll der phantastisch anmutenden Kontraste ist das Ferienland Frankreich. Gerade in diesen Tagen kann es gleichzeitig mit Schneehängen und fruchtreifen Zitronenbäumen aufwarten. Nicht nur Antike und Moderne vertragen sich großartig nebeneinander, es harmonieren auch ein Leben in Luxus und eine sehr einfache Lebensweise - je nach Geschmack und Können. Ueberhaupt ist die Lust an der Anspruchslosigkeit groß. Niemand schätzt den anderen gering, weil er ein offenes Hemd einer Krawatte oder eine freche Dreiviertelhose einem Kleid vorzieht. Gilt in anderen Ländern die gewiß notwendige Regel: alles zu seiner Zeit, so gilt hier außerdem: jeder nach seiner Fasson.

Fasson? Hier das Beispiel von Jeanne, einer Frau in den besten Jahren, in ihrer Mädchenzeit wurde sie Jeannette genannt. Sie lehnt es heute ab, Hosen zu tragen. Sie zieht luftige, weite Röcke vor und Blusen, die den Armansatz und ihre schön gerundeten Schultern bedecken. Auch entschloß sie sich - Sie können sich denken warum - den zweiteiligen durch einen einteiligen Badeanzug zu ersetzen. Ja, wäre sie noch Jeannette, jung und rank, gewesen - aber die Jahre wandern, und mit ihnen verschieben sich die Grenzen, die von der Französin, bei ihrem Sinn für Pikanterie gerne beachtet werden.

*

Eine der Möglichkeiten, in Frankreich zu Preisen zu leben, die für eine durchschnittliche Urlaubskasse wie geschaffen sind, ist es, ganz einfach zu leben, wie es auch der französische Familienvater, wie es der Student oder wie es die jungen Frauen der Groß- und Mittelstädte tun müssen. Sie meiden Hotels in Bahnhofs- oder Promenadennähe, übersehen die großen Restaurants an den Hauptstraßen (in den Nebenstraßen ist meist alles ein wenig billiger) und vermeiden das Herumreisen in den Hochsommerwochen, wenn es am heißesten und alle Welt unterwegs ist.

Jeanne und ihr Mann Jean suchen die stille Seite der Cote d´Azur, die Altstadt von Cannes, die kleinen Fischerdörfer und Bäder. Beginnt doch gleich abseits der belebten Straßen das Idyll. Die Palmen und Pinien, die zuweilen unübersehbaren Blumenfelder gibt es auch außerhalb der namhaften Orte und oftmals gerade da, wo diese Pracht am wenigsten vermutet wird. Da haben es dann die exotischen Blumen wie die netten Leute, die auch oft da zu finden sind, wo eine so freundliche Nachbarschaft kaum erwartet wurde.

Ermano Höpner

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