Süddeutsche
Zeitung, 17.10.2000, S.11
Städtepartnerschaft
mit Novi Sad
Dortmund
half, als die Bomben fielen
Die westfälische
Metropole unterbrach nie die Unterstützung der Vojvodina-Hauptstadt
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Von Ruth Ciesinger
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Die
Windeln hatten es in sich. Unter den Stapeln weißer Plastikhöschen,
deklariert als "Humanitäre Leistung Dortmunds an die Partnerstadt
Novi Sad", stapelten sich Computer, Megafone und ein abhörsicheres
Satellitentelefon - ebenfalls Gaben aus der westfälischen Metropole,
aber weniger offizieller Natur. Hätten die serbischen Grenzer das
geahnt, hätte der ehemalige Stadtrat Alexander Ivkovac wohl mehr
als die 200 Mark gebraucht, um den Laster undurchsucht nach Novi Sad zu
bringen. Weil die Miliz aber ahnungslos blieb, bekam das Heim für
behinderte Kinder Nachschub an Hygieneartikeln und die Oppositionsparteien
erhielten Ausstattungen für ihre spärlich bestückten Büros.
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Seit
Beginn der Kriege im ehemaligen Jugoslawien unterstützte Dortmund die
Hauptstadt der Provinz Vojvodina, zusammen mit Organisationen wie dem Roten
Kreuz, der evangelischen Kirche sowie Privatpersonen; die seit 1981 bestehende
Städtepartnerschaft zerbrach auch während der 90er Jahre nicht.
Insofern ist Dortmund "eine Ausnahme", wie auch der ehemalige
Dürener Bürgermeister Josef Vosen begeistert feststellt. Vosen
koordiniert die "Städteprojektpartnerschaften", die das Auswärtige
Amt Anfang des Jahres im Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt in Brüssel
ins Leben gerufen hat. Als Konsequenz aus dem Kosovo-Krieg wollte Berlin
die serbische Bevölkerung unterstützen - besonders die Opposition.
Auf Regierungsebene war das aus naheliegenden Gründen nicht möglich,
deshalb griff man auf den direkten Städtekontakt zurück, beteiligte
sich finanziell an bereits bestehender Zusammenarbeit und vermittelte neue
Partner. Außerdem sei die direkte Hilfe durch eine andere Stadt "weniger
anonym", sagt Vosen - der Westen sollte ein Gesicht bekommen. |
Die
Nato-Bomber flogen noch Angriffe auf die Industriestadt, zerstörten
die Raffinerie, die drei Donaubrücken und die Trinkwasserversorgung
- da rollten schon die Laster mit Lebensmitteln aus Dortmund , man intensivierte
sogar die bisherige Hilfe. Denn in Novi Sad hätten die demokratischen
Parteien immer die Mehrheit im Stadtrat gehabt, sagt Dieter Dieckerhoff
von der Dortmunder Stadtverwaltung. Die wollte man weiter unterstützen,
ebenso die Menschen, die unter den Folgen der Bombardierung und des Embargos
litten. |
Bei
Alexander Ivkovac gewinnt man den Eindruck, dass das Konzept aufgegangen
ist. Ivkovac spricht gerade auf der anderen Leitung;
bis er aufgelegt hat, erzählt eine Kollegin begeistert, wie bekannt
jene Dortmunder in Novi Sad seien, die Lebensmittellieferungen begleitet
oder im Behindertenheim geholfen hätten - eine, Hannelore Lamche, ist
mittlerweile Ehrenbürgerin in Novi Sad. Ivkovac selbst hat lange
der Liga der Sozialdemokraten der Provinz Vojvodina angehört und ist
inzwischen parteilos. Für ihn haben alle Projekte
von der Suppenküche im Winter bis zu Medikamentenlieferungen dazu beigetragen
"die Milosevic-Partei in Novi Sad weiter zu schwächen". Das
Vertrauen der Bevölkerung in die Stadtverwaltung sei dadurch gestärkt
worden, denn Belgrad habe sie als Opposition äußerst knapp gehalten.
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"Die
wichtigste Hilfe für uns war aber die Unterstützung der Oppositions-Medien",
sagt Ivkovac. Vom Bundespresseamt flossen Gelder an unabhängige
Zeitungen und Radiosender - auch dank der Ansprechpartner aus Dortmund.
Druckpapier und technische Geräte wurden in riskanten Unternehmungen
am Zoll vorbei geschmuggelt. Sabine Westphal, die oft in Jugoslawien war,
hatte in der Handtasche meist Mini-CD-Spieler oder anderes Material für
illegale Radiosender dabei. Sie ist immer noch beeindruckt
von dem "Enthusiasmus, mit dem gearbeitet wurde". Einmal
hat sie einen Sender besucht, der im dritten Stock eines Hauses untergebracht
war. Draußen stand der Übertragungswagen des staatlichen Fernsehens,
doch keiner war beunruhigt. Im Gegenteil, die Mitarbeiter hätten sich
sicherer gefühlt - niemand hätte an diesem Platz einen Piratensender
vermutet. "Ich glaube", so Westphals Fazit,
"unsere Hilfe hat erhebliche moralische Unterstützung gebracht.
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Deutlich
zurückhaltender klingt es, wenn Dieckerhoff über die humanitären
Hilfeleistungen spricht: "Es war nicht mehr als ein Tropfen auf einen
heißen Stein. " Er hofft, dass nun verstärkt Geld fließt,
auch von der Europäischen Union. Weitergemacht wird trotzdem. Dortmund
hat ein Projekt zum Schutz des vom Raffinerie-Öl bedrohten Trinkwassers
in die Wege geleitet. Unter anderem sollen dabei auch Dozenten und Studenten
der Universität Dortmund in Novi Sad mitarbeiten. Für diese
eine "günstige Gelegenheit zu lernen", findet Dieckerhoff:
"Bei uns läuft doch höchstens mal ein Tank im Heizungskeller
aus. "
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Bildunterschrift:
Alle drei Donaubrücken in Novi Sad wurden während des Kosovo-Krieges
zerstört - im Bild die Varadin-Regenbogen-Brücke beim, inzwischen
abgeschlossenen, Neuaufbau. Trotzdem kamen während der Bombenangriffe
Lebensmitteltransporte aus Dortmund in die Hauptstadt der Vojvodina.
Foto: AP/SZ
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