Südkurier,
26.5.1956, S. 11, "Konstanzer Zeitung"
Internationale
Verständigung
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Wie
heutzutage üblich, habe ich es natürlich "furchtbar eilig",
als ich meine Uhr von der Reparatur abholen will. Aber ich muß
warten, weil eine schwierige Verhandlung im Gange ist. Zwei junge Leute
werden bedient, die sich scheinbar nicht einig werden können. Notgedrungen
höre ich der Debatte zu. Der Fall fängt an, mich zu interessieren.
Der eine der beiden Kauflustigen ist ein großer, schmaler Junge,
blond, mit frischem Gesicht. Der andere klein, dunkel, zierlich, mit lebhaften,
schwarzen Kohlenaugen, steckt in französischer Uniform. Der Blonde
murkst ein paar jämmerliche französische Brocken hervor. Das
Deutsch des Anderen ist auch nicht viel besser.
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Ich
entnehme dem Kauderwelsch, das unter viel Gelächter und Schulterklopfen
vor sich geht, daß Jeannot eine deutsche Uhr kaufen möchte, die
aber für seinen Geldbeutel zu teuer ist, weshalb "Petähr"
ihm zwanzig Mark zusteuern will. Endlich kommt der Kauf zustande. Nun kann
ich nicht mehr widerstehen und frage - worüber Jeannot sich unbeschreiblich
freut - auf französisch, ob "Petähr" sein Freund sei.
Aber ja, sie kennen sich seit einem Jahr! "Mein bester Freund"
und dabei glänzen die Kohlenaugen. Woher er stammt? Am Dialekt hatte
ich schon längst den Südfranzosen erkannt; aus der Gegend von
Perpignan. Neuer Freudenausbruch, als er hört, daß ich das kenne. |
Und
Peter? Er stammt aus Pommern. Jeannot ist sein liebster Freund. Sie vertragen
sich sooo gut. Ich erkläre zweisprachig, daß ich das wunderschön
finde. Gewiß sei das schön, aber doch das Natürlichste von
der Welt. Sie seien beide 21 Jahre alt und verstehen sich gut, trotz der
Sprachschwierigkeiten. Und da nun Jeannot so gerne eine deutsche Uhr haben
möchte, schenkt er ihm etwas dazu. |
Jeannot
verfolgt gespannt das Gespräch. "Mais, oui, madame", sagt
er, "Petähr hat die gleichen Ansichten wie ich, und wenn ich mit
dem Militär fertig bin, kommt er mit mir nach Perpignan. Er ist vom
Lande, wie ich. Alle jungen Leute könnten sich vertragen, wie wir beide",
und dann, so fügt er unter Peters (...) [unleserliches Wort, Anm.
S.J.] Zustimmung hinzu, gäbe es keinen Krieg mehr! |
Es
ist doch immer das gleiche: Wenn die Jugend unbefangen zusammentrifft, verträgt
sie sich ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Im Stadtgarten kann man immer
wieder beobachten, wie Soldaten mit deutschen Kindern sich anfreunden. Die
Soldaten sind glücklich, die Kinder meistens stolz. Warum bringt es
die Jugend fertig? Spreche ich mit Erwachsenen, so
kommen meist die dümmsten Argumente, daß die Soldaten etwa "nicht
so stramm" sind (dafür sind sie eben gelockerter, was ja auch
keine Schande ist!) oder es gibt, meist von Leuten, die nie in Frankreich
waren, gleich Generalurteile über das gesamte Land und seine Bevölkerung.
Von Franzosen kann man natürlich die entsprechenden Albernheiten hören. |
Die
Jugend aber springt unbeschwert über alle Trennungsgräben und
gibt sich die Hand. Und Jaqui und Mimi spielen auf dem Stephansplatz mit
Karle und Ruthle, und sie sprechen perfekt konstanzerisch!
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M.B.
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