Begeistert
vom Sturz des Miloevic-Regimes bietet der Westen Jugoslawien Hilfe
an. Die UN will die seit über acht Jahren geltenden Sanktionen aufheben,
die EU über ihren Stabilitätspakt Geld für Soforthilfeprojekte
bereitstellen. All das ist notwendig und richtig - nur dass sich keines
dieser Angebote an die Bürger richtet, deren Massenprotest den Wechsel
in Belgrad erzwungen hat.
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Das
Ende der UN-Sanktionen wird vor allem die Importe nach Serbien und Montenegro
anregen. Das freut den jugoslawischen Staat, der über Zölle verdient.
Den Bürgern nutzt dies höchstens insofern, als die Warenvielfalt
steigt. An der katastrophalen sozialen Situation ändert die Abschaffung
der Sanktionen jedoch nichts; die Menschen werden weiter durchschnittlich
70 Mark im Monat verdienen. Das Gleiche gilt für die Soforthilfeprogramme:
Abgesehen von ein paar tausend Arbeitsplätzen - in einem Land mit 60
bis 70 Prozent Arbeitslosigkeit nicht viel - richtet sich auch dieses westliche
Angebot vor allem an die politische Klasse. Sicher, jene Teile des Establishments,
die Miloevic und Co. seit dem 5. Oktober die Gefolgschaft verweigern,
müssen belohnt werden, um den Wechsel zu stabilisieren. Dazu gehören
Polizisten, Soldaten, Rundfunkredakteure. Aber auch die attraktivsten Angebote
an den Apparat ersetzen nicht die an die jugoslawischen Menschen. |
Seit
über acht Jahren gilt der Visumzwang - für Montenegriner und
Serben, für Bosnier, Kosovo-Albaner und Makedonier. Im Jugoslawien
Titos hatten sie ins Ausland reisen dürfen. Es war der freie Westen,
der diese Freiheit 1992 aufhob: Nach dem Beginn des Bosnienkrieges fürchtete
man sich vor einer Massenflucht. Sie kam trotzdem, ließ sich durch
den Visumzwang nicht verhindern. Also sollte man ihn aufheben - denn er
trifft bis heute die Falschen: Pensionäre, die im Westen gearbeitet
haben und ihre Renten dort abholen müssen, junge Menschen, die einfach
mal ein anderes Land besuchen wollen, und natürlich Freunde und Verwandte
der Millionen von Exjugoslawen, die im westlichen Ausland leben. Nach
dem Umsturz in Belgrad ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um diesen Menschen
ein ganz persönliches "Willkommen zurück in Europa!"
zu senden.
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