Süddeutsche
Zeitung, 4.9.1954, S. 12
Stadt und Kreis
Freising
Monsieur Lecompte frischt Erinnerungen auf
Ehemalige französische Kriegsgefangene besuchen die Moosburger
Neustadt
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MOOSBURG
Der Optiker Jean Guillemine aus Morez und der Bankangestellte Charles
Lecompte aus Bar-le-Duc schliefen eine Nacht im Moosburger Lager. Sie
träumten dabei von einer Zeit, die bereits neun Jahre zurückliegt,
als sie in den gleichen Baracken der Drei-Rosen-Stadt gelebt hatten. Damals
trugen sie auf ihren französischen Soldatenmontouren das "Kgf"
der Kriegsgefangenen, und dieses Barackenlager nannte sich "Stalag
VII A". Heute heißt es Moosburger Neustadt.
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Guillemine
und Lecompte waren mit einer Gruppe ehemaliger Kriegsgefangener aus Frankreich
nach Moosburg gekommen, um sich die Stätte ihrer Gefangenschaft wieder
einmal anzusehen. Gilbert Lasson aus Maretz-Nord hatte sogar seine Frau
Susanne mitgebracht. Die Gäste wurden in den Moosburger Mauern von
dem Vorsitzenden des Heimkehrerverbandes Hans Mitz, der drei Jahre als Kriegsgefangener
in Frankreich zugebracht hatte, herzlich willkommen geheißen. Bei
der Begrüßung zeigten sich für ihn die als "Prisonnier
de guerre" erworbenen Sprachkenntnisse als außerordentlich nützlich.
Eifrig unterstützte ihn jedoch der Lehrer Michael Seidl, der sein Französisch
vor rund 10 Jahren als Besatzungssoldat in Frankreich aufgefrischt hatte.
Angeführt wurde die kleine Gästegruppe von dem 44jährigen
Abbé Pierre Pernot aus Orleans, der vor einigen Jahren die Bewegung
der Brüderlichkeit "Omnes Fratres" gegründet hatte und
auch die Besuche ehemaliger Kriegsgefangener in Deutschland organisiert.
"Dies ist mein vierter Besuch in Moosburg",
erzählt der Priester. Er vergißt aber, daß es eigentlich
schon der fünfte ist, denn Pierre saß während des Krieges
zwei Jahre lang in der Priesterbaracke Nr. 19 des Stalag VII A. |
"Serr
gut", meint Jean Guillemine zu der Leberknödelsuppe, die
der Moosburger Heimkehrerverband den Gästen beim ersten Mittagessen
in der Drei-Rosen-Stadt aufgetischt. Anschließend wurde die Neustadt
besichtigt. "Der Eingang sieht noch genauso wie während des Krieges
aus", bemerkt Gilbert Lasson, als er, diesmal in saloppem Zivil in
die Lagerstraße einbiegt. In den Baracken sieht es jedoch ganz anders
aus. Dort rasseln jetzt Schuhmaschinen, Webstühle und Klöppelmaschinen.
"Dies war meine Villa", schmunzelt
Abbé Pernot, als man am Ende des Lagers ankommt. In der ehemaligen
Priesterbaracke - jetzt trägt sie die Hausnummer Lindenstraße
51 - wohnt heute die Familie Bareuther. Sie läßt die Besucher
aus Frankreich gerne in ihre Wohnung ein und zeigt ihnen, wie hoch das Wasser
in den Zimmern stand, als bei Moosburg der Amperdamm gebrochen war. Abbé
Pernot erläutert dafür, wie hoch die mehrstöckigen Betten
waren, die einst das Bild der Unterkünfte im Stalag VII A bestimmten. |
Für
die Kosten der Bewirtung in Moosburg kam der Heimkehrerverband auf. Lange
tauschten die ehemaligen Kriegsgefangenen von hüben und drüben
ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus. "Ich hoffe
nur, daß es für unsere Kinder keine Kriegsgefangenschaft mehr
gibt", meinte Gilbert Lasson. Abbé Pernot, der wie
seine Kameraden über den Besuch in Deutschland sehr glücklich
war, fügte hinzu: "Wir sind doch alle
Brüder".
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tom
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